Fördersumme:
2.200 €
Förderziel:
Unterstützung der Kunstwerkstatt und der Vernissage über den künstlerischen Ausdruck von Fluchterfahrungen im Christian Jensen Kolleg in Breklum.
Beschreibung:
Kunstwerkstatt über den künstlerischen Ausdruck von Fluchterfahrungen: Die künstlerische Leitung hatte Barbara Kirsch, die mit einer kleinen Gruppe von Künstlern mit Fluchterfahrungen vier Tage lang im Jensen Kolleg in Breklum den Prozess begleitetet, die menschenwürdigen oder unwürdigen Erfahrungen in einem oder auch mehreren Bildern darzustellen.
Die Werke wurden anschließend in der Ausstellung ANSICHTEN – EINSICHTEN. Menschen(un)würde auf der Flucht“ präsentiert. Zu den ausgestellten Bildern wurden biographische Kurztexte und Fotoportraits gezeigt. Die Werke wurden in Breklum, Kiel, Schleswig, Eutin, Flensburg, Lübeck und Husum gezeigt.
Die organisatorische Leitung oblag Hans Baron vom Christian Jensen Kolleg, der mit dem Flüchtlingsbeauftragten des Landes Schleswig/Holstein Herrn Schmidt zusammen mit der schwierigen Aufgabe der Suche und dem Finden von Teilnehmern beauftragt war.
Die stiftung-menschenwürdiges-leben hat dieses Projekt mitgestaltet und gefördert.
Rede der Projektleiterin Barbara Kirsch zur Vernissage am 20.10.2017 in Breklum
Sehr geehrter Herr Schmidt, liebe Frau von Hänisch, sehr geehrter Herr Baron, liebe Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer, liebe Freunde und Gäste,
als ich die Anfrage zu Leitung dieses Kunstprojektes von Frau Ingrid von Hänisch in ihrer Funktion als Initiatorin der Stiftung für menschenwürdiges Leben erhielt, sagte ich mit großer Freude und Dankbarkeit zu. An dieser Stelle auch unbedingt ein herzliches Danke an Herrn Baron für seine tatkräftige und kompetente Unterstützung in diesem großzügigen Rahmen des Christian Jensen Kollegs.
Ich hatte hier endlich die Gelegenheit, in kreative Praxis umzusetzen, was mir durch die Entwicklung seit 2015 keine Ruhe lässt: in einer Zeit, in der Hilfsbereitschaft angesichts großer Menschenströme, die nach Deutschland kommen, einerseits zu-, aber leider auch abnimmt, die natürliche Neugier auf das Andere als Gegenüber zu bewahren. Aufgewachsen in einer Familie, die sich flüchtend nach den Kriegswirren des Zweiten Weltkrieges durch Fügungen neu- und wiederfand, ist mir Bewegung vertrauter als Sesshaftigkeit. Vielgereist seit früher Jugend, ist es mir immer eine große Freude, in andere Kulturkreise eintauchen zu dürfen und deren Atmosphäre aufzunehmen. Die eigene Geschichte verleitete mich dazu, dieses Projekt zum Teil umzutaufen in eines für ‚Menschen mit Fluchterfahrung‘. Diese Formulierung ermöglicht mir die Klammer als Betroffene in der zweiten Generation und denen, die noch direkt Flucht und Vertreibung aus der Heimat erlebt haben mit den Menschen, die aus Ländern zu uns kommen, wo aktuell persönliche Grundrechte zutiefst missachtet werden.
Individuelle Freiheit und Selbstbestimmung spiegeln Werte wieder, die ein würdevolles Leben markieren. Hier in Deutschland sind diese Werte gesetzlich verankert. Doch leider wird Würde oft erst in ihrer Abwesenheit schmerzhaft wahrnehmbar. Wie selbstverständlich und nachlässig hier oft mit diesen Werten umgegangen wird, deren Weg bis ins Grundgesetz ein harter und blutiger war, der Menschenströmen das Leben kostete, wühlt mich auf. Würde bedeutet doch auch, diese Freiheit zu nutzen und nicht in Gleichgültigkeit hinzunehmen!
Syrien verliert gegenwärtig nicht nur das Leben unzähliger unschuldiger Menschen, sondern das Potential einer ganzen Generation, die keine Möglichkeit zu Schul- und Weiterbildung hat. Bildung als Wert steht neben persönlicher Freiheit mit seinen ganzen Facetten im Mittelpunkt dessen, was für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer besonders mit Würde verknüpft ist.
Diese Menschen, die ihrer Heimat, ihrer Familie, ihrem Umfeld und Beruf entrissen vielleicht gar nicht in Deutschland leben wollten, es aber dennoch auf sich nehmen, sich hier auf Sprache, Beruf und Gesellschaft einzulassen, verdienen große Hochachtung: Dies ist eine schwere Aufgabe, die nur in langwierigen Prozessen zu leisten ist.
Ich hatte das Glück, fünf Tage mit hoch motivierten, sehr individuellen, kreativen Menschen arbeiten zu dürfen und fühle mich beschenkt durch diese Zeit. Ich durfte teilhaben an den Wegen, die Euch zum grössten Teil über viele Umwege und Stationen nach Deutschland führten. Manchmal gab es zwar ein Visum, dann wieder Todesangst und Bedrohung, Unsicherheit, Warten und Willkür als Erfahrung von Unwürde – aber auch Situationen, die im Guten nie mehr vergessen werden: wenn im letzen Moment ein großes Schiff am Horizont erscheint und Hilfe vermittelt, solange am kleinen Boot wartet, bis sie auch kommt – menschenwürdig. Ausdrucksstarke Bilder erzählen von Würde und Unwürde als Wegbegleiter, die durch Worte nicht vermittelbar sind. Eure Bilder besitzen die Kraft, uns hier diese Erfahrungen näher zu bringen. Andererseits erscheint aber auch mit viel Energie im Experiment und in leuchtenden Farben der Wille zu Neubeginn, zur Freude am selbstbestimmten, würdevollen Leben in Freiheit. Mögen sie Euch Glück bringen!
Ich möchte Euch jetzt die Möglichkeit geben, selbst Eure Werke vorzustellen.
Vielen Dank.
Barbara Kirsch, Oktober 2017